Wie es den heimischen Start-ups in der Corona-Krise ergeht

Interview mit Jens Weber, Geschäftsführer der Technologie Centrum Chemnitz GmbH

Herr Weber, an den drei Standorten des Technologie Centrum Chemnitz haben etwa 80 junge Unternehmen ihren Sitz. Wie ergeht es denen in der derzeit angespannten wirtschaftlichen Situation?

Das ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich – wie in der regulären Wirtschaft auch. Es gibt Unternehmen, die fahren ihren regulären Geschäftsbetrieb mehr oder weniger unbeeindruckt weiter. Es gibt Unternehmen, denen eröffnen sich neue Marktchancen: Ein Unternehmen bietet seit mehreren Jahren die Organisation von Telefonkonferenzen an – und hatte in den letzten Wochen so viel zu tun wie noch nie. Andere haben ihre Maschinen genutzt, um neue Produkte zu platzieren, dritte können ihr Know-how zu Labs-on-a-Chip nun stärker im humanmedizinischen Bereich einbringen. Was wir sehen: Bei jungen Unternehmen ist das Geschäftsmodell oft noch nicht sehr eingespielt – um nicht zu sagen: festgefahren. Das ist manchmal von Nachteil, aber auf neue Situationen können sie sehr flexibel reagieren.

Also alles gut bei den Chemnitzer Start-ups?

Natürlich gibt es auch Unternehmen, die verunsichert sind angesichts der aktuellen Lage. Vor allem bei jungen Unternehmen stellt sich oft die Frage: Sind die Geschäftsmodelle auch krisensicher? Und was für die Wirtschaft allgemein gilt, gilt für Start-ups erst recht: Eine solche Situation haben sie noch nicht erlebt. Wie Kurzarbeit, Home-Office oder ein KfW-Kredit funktionieren, mussten ja auch viele gestandene Unternehmer in den vergangenen Wochen erst lernen.

Welche Schwierigkeiten treten bei den jungen Unternehmen am häufigsten auf?

Wir haben bei einigen Start-ups, die sich mit Investoren oder Förderprogrammen externes Kapital ins Haus geholt haben, das Problem, dass die Fortschritte in der Unternehmensentwicklung nicht wie geplant eintreten und deshalb verabredete Meilensteine nicht schnell genug erreicht werden und deshalb auch Folgezahlungen später erfolgen. Einerseits, weil vielleicht im Start-up selbst personelle Engpässe auftreten, oder andererseits, weil Kunden Pilotprojekte in der Prioritätenliste zurückstellen. Hier sind viele individuelle Gespräche mit den Investoren und Fördermittelgebern nötig, um die Situation zu bewältigen. Und insgesamt muss man natürlich sagen: Ein junges Unternehmen hatte oft noch gar keine Zeit, einen finanziellen Puffer für Krisenzeiten aufzubauen. Neugründungen sind finanziell ja zumeist eher auf Kante genäht und sie könnten jeden Euro zwei- oder dreimal ausgeben.

Greifen denn die umfangreichen Förderprogramme?

Nur teilweise. Für manche Unterstützungen braucht man Jahresabschlüsse vergangener Jahre – die ein frisch gegründetes Unternehmen naturgemäß noch nicht hat. Die Kreditaufnahme gestaltet sich für ein junges Unternehmen oft auch schwierig: Wer ohnehin mit einer verlustreicheren wirtschaftlichen Anlaufphase rechnet, will sich nicht unbedingt auch noch zusätzlich verschulden, zumal bei einigen Programmen der Unternehmer in die private Haftung geht. Da sehe ich an einigen Stellen Nachsteuerungsbedarf.

Was können Sie sich konkret vorstellen?

Viele Gründungen finanzieren ihre Anfangsphase mit eigenem Kapital und mit Geld aus der Familie und von Freunden, den 3F – family, friends and fools. Vor allem im deutschen Osten ist diese Kapitaldecke aber oft nicht sehr dick. Da könnte es – auch für künftige Gründungen – sinnvoll sein, dass diese Art der Finanzierung vom Staat durch eine Aufstockung „belohnt“ wird: Für jeden Euro der 3F gibt es einen vom Staat obendrauf. Das war in anderen Bereichen in der Vergangenheit ein funktionierendes Instrument und würde die finanziellen Möglichkeiten junger Unternehmen sofort verbessern.

Bei den Corona-Förderprogrammen gilt es einfach, Start-up-gerecht nachzujustieren. Oberste Priorität sollte auf Liquiditätserhalt beziehungsweise Liquiditätsstärkung liegen, um insbesondere die notwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in dieser Zeit aktiv halten zu können. Viele Gründerberater in Sachsen, darunter auch wir, sind dazu im Gespräch mit den politischen Entscheidern – und hoffentlich auf einem guten Weg.

Herr Weber, wir danken für das Gespräch.

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